Trennen oder Mischen des Verkehrs?

Ob zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto unterwegs – dies erfordert Platz! Hohe Kfz-Geschwindigkeiten erfordern breite Fahrbahnen, der dem Fuß- oder Radverkehr, ebenso dem Einzelhandel und Gastronomie dann fehlt.

Für den Kfz-Verkehr genormte Straßenräume mit eindeutigen Fahrbahnmarkierungen, Verkehrsschildern und Lichtsignalanlage entsprechen kaum noch den Anforderungen, die heute an Städte und Dörfer als Lebensräume gestellt werden.

Wie weit kann daher die Mischung der Verkehre bei geringen Fahrgeschwindigkeiten um 20 bis 30 km/h gehen? Kann der begrenzte Straßenraum vielseitiger genutzt werden, wenn nicht jedes Verkehrsmittel einen eigenen Streifen hat? Welche Art der Straßenraumgestaltung unterstützt das intuitive Miteinander der Verkehrsteilnehmer per Blickkontakt? Und sind das nicht ideale Bedingungen für den Radverkehr, wenn alle Fahrzeuge etwa in Fahrradgeschwindigkeit unterwegs sind?

Straßen mit hohem Querungsbedarf der Fußgänger sind einer der Haupteinsatzbereiche für Shared Space. Neben den zentralen Plätzen der Stadt und Einkaufsstraßen zählen hierzu vielerorts auch die Bahnhofsvorplätze als Busbahnhöfe und Straßenbahnstationen. Hier kommt es darauf an, den nötigen Kfz- Verkehr so verträglich zu organisieren, dass die Aufenthaltsqualität für Fußgänger nicht leidet

Unterschiedliche Begriffe, unterschiedliche Praxis

Neue Straßenräume nach dem Mischungsprinzip werden heute meist als „Shared Space“ bezeichnet. Der Begriff des „gemeinsam genutzten Raums“ geht auf den britischen Architekten Ben Hamilton­Baillie zurück, er bezeichnet damit solche Straßenräume, in denen das Zusammenspiel der Verkehrsteilnehmer jeweils in eigenverantwortlicher Interaktion durch Blickkontakte „ausgehandelt“ wird.

Unter der Bezeichnung Begegnungszone ist dieser Straßencharakter des Miteinanders in der Schweiz seit einigen Jahren mit einem neuen Verkehrsschild in der Straßenverkehrsordnung fixiert. Seither werden Begegnungszonen auch in Geschäftsstraßen mit mittlerer Kfz-Belastung, vor Schulen und vor Bahnhöfen eingerichtet. Fußgänger dürfen sich überall bewegen und aufhalten, jedoch die anderen Verkehrsteilnehmer nicht behindern. Für alle Fahrzeuge gilt ein Tempolimit von 20 km/h, für Kfz außerdem eine strikte Parkraumregelung. Belgien und Frankreich sind dem Schweizer Beispiel gefolgt, in anderen europäischen Ländern wird die Übernahme dieser flexiblen Art des Miteinanders diskutiert. Schließlich verpflichtet in mehreren Ländern der §1 der Verkehrsordnung zur gegenseitigen Rücksichtnahme – mit einer Straßenraumgestaltung nach Shared­ Space­-Prinzipien wird der §1 baulich umgesetzt.

Die Abkehr von der normierten geschwindigkeits­ und autoorientierten Gestaltung schafft Freiraum für ein unverwechselbar ortstypisches Straßenbild, das „eine Geschichte von dem Ort und den Menschen darin erzählt“ – so der niederländische Verkehrsplaner Hans Mondermann als ein Vordenker für Shared Space. “

Einsatzbereiche

Die FGSV hat 2010 erste Empfehlungen aus fachlicher Sicht veröffentlicht, wie Fehler bei der Umgestaltung vermieden werden können. Eine systematische Wirkungsforschung wird erst ab 2012 erwartet, jedoch lassen die zahlreichen umgesetzten Projekte schon recht verlässliche Einschätzungen zu.

Aktuelle Diskussionspunkte

  • Einsatzbereich auch bei geringem Fußgängerverkehr
  • Abwicklung hoher Kfz-Mengen
  • Gestalterische Lösung von Geschwindigkeitsbegrenzungen
  • Pkw-Parken
  • Berücksichtigung von Blinden und stark Sehbehinderten

Verkehrsrechtliche Umsetzung in Deutschland

Verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche mit Tempo­20­-Zone bieten zwar formal nur eingeschränkte Rechte für Fußgänger im Straßenraum, je nach Gestaltung funktioniert das Miteinander aber recht gut. Die Einsatzbereiche des verkehrsberuhigten Bereichs bei mittlerem oder stärkerem Kfz­ Verkehr werden nicht einheitlich gesehen. Solange eine unklare Interpretation der StVO vor Ort besteht, kann ein Projekt als Verkehrsversuch behandelt werden, was eine Begleitforschung und die Zustimmung höherer Straßenverkehrsbehörden voraussetzt.